Totaler Krieg – Kürzester Krieg (?)

In unserer Nachbarschaft, da wo heute das Pallaseum steht, war einst der Berliner Sportpalast Bühne für Sport- und Massenveranstaltungen.

Am 18. Februar 1943 fand dort eine besondere Massenveranstaltung statt.

Tausenden schleuderte der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels die Frage entgegen: „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ Und erntete ein donnerndes „Ja“ 

Die Massen im Sportpalast (Bundesarchiv, Bild 183-J05235, Schwahn, via Wikimedia Commons)

Denn wenige Tage nachdem die deutsche Wehrmacht in Stalingrad kapitulieren musste (2. Februar 1943), hatte der teuflische Demagoge Goebbels diese Veranstaltung bis ins kleinste Detail vorbereitet.

Die Menschen im Sportpalast nannte er die „Repräsentanten der gesamten Nation“, er sprach sie an als  „Invaliden von der Ostfront, Rüstungsarbeiter aus den Berliner Panzerwerken, Mitglieder der Partei, Wehrmachtssoldaten, Ärzte, Wissenschaftler, Künstler, Ingenieure, Architekten, Lehrer, Beamte und Angestellte“.

Doch in Wirklichkeit sprach er zu handverlesenen Anhängern der Nationalsozialisten, von denen viele vorab Sprechchöre eingeübt hatten und klar instruiert waren, wann und wie lange sie applaudieren sollten.

Als Virtuose im Bereich der „fake news“ verdrehte er in seiner zweistündigen Rede den deutschen Angriffskrieg auf Russland in einen Verteidigungskrieg für Europa: „Der Ansturm der Steppe gegen unseren ehrwürdigen Kontinent ist in diesem Winter mit einer Wucht losgebrochen, die alle menschlichen und geschichtlichen Vorstellungen in den Schatten stellt.“ Und forderte mit Hilfe suggestiv-rhetorischer Fragen die „heroische Mobilisierung der letzten Reserven“, der das handverlesene NS-Publikum, brüllend zustimmte. Im Klartext:  Fronteinsatz aller tauglichen Männer, Stilllegung nicht kriegswichtiger Betriebe, Schließung von Vergnügungsstätten und Arbeitseinsatz aller Frauen.

Quasi nebenbei kündigte er als Gauleiter von Berlin die Deportation der verbliebenen Juden aus der Reichshauptstadt an.

Letztlich wollte er damit die totale Kontrolle des Regimes und der Partei (NSDAP) über die Bevölkerung erreichen. Zumindest propagandistisch gelang es ihm den Eindruck zu erwecken, als wollten die Deutschen alle „bis zum Endsieg kämpfen“. So kommentierten denn auch führende deutsche Zeitungen:  „…fand im Berliner Sportpalast eine Grosskundgebung der Bevölkerung Berlins statt, in der Reichsminister Dr. Goebbels mit schonungsloser Offenheit die Gefahr aufzeigte, in der Europa schwebt. Die von dem alten nationalsozialistischen Kampfgeist getragene Veranstaltung brachte das einmütige und leidenschaftliche Bekenntnis der Teilnehmer, der Männer und Frauen, der Ritterkreuzträger und Rüstungsarbeiter, der Verwundeten und zahllosen Männer aus allen Schaffens- und Wissensgebieten, den Krieg rücksichtslos und in seiner radikalsten Totalität zu führen und den Sieg über den Bolschewismus zu erzwingen.“

Die Wirklichkeit sah anders aus. Widerstand und abweichende Meinungen wurden brutal unterdrückt.

Vier Tage später, am 22. Februar 1943, wurden Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst wegen ihres Widerstands gegen das NS-Regime in München enthauptet.

Am Ende führte der Totale Krieg zur Totalen Niederlage und Kapitulation.

Heute bedient sich Putin ähnlicher demagogischer Rhetorik und macht aus seinem Angriff gegen die freiheitlich demokratische Ukraine eine Verteidigung gegen Nazis, um die Einheit des russischen Volkes in diesem Krieg zu beschwören. Und »Wer es noch wagt, sich öffentlich gegen den Krieg zu stellen, muss mit Verfolgung und harten Strafen rechnen« (Christina Hebel, Spiegel-Journalistin, Februar 2023)

Die Ultrazell GmbH

Jüdisches Gewerbe (4)

ein Beitrag von Bethan Griffiths

Nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1929 wurde der Kaufmann und ausgezeichnete Kriegsveteran Curt Joseph Inhaber des Drogeriewarenunternehmens Kopp & Joseph in der Potsdamer Str. 122.[1] Um die Ecke – in der Lützowstr. 106 – fand die Fabrikation statt. Kopp & Joseph war sogar Hauseigentümer und Curt Joseph war dort gemeldet.[2] Kurz danach, im November 1932, gründete Curt Joseph eine weitere Firma – Ultrazell GmbH – die sich später im gleichen Gebäude befand.[3]

A. BLUMENREICH

Jüdisches Gewerbe (3)

ein Beitrag von Bethan Griffiths

Im Frühjahr 1919 etablierte das Ehepaar Arnhold und Ilse Blumenreich die „Blumenreich’s Versandhaus GmbH“. Firmen gleichen Namens gab es bereits in Budapest und in Ilses Heimatstadt Wien. Nun, kurz nach dem Chaos des Ersten Weltkriegs, wollte das Ehepaar ein weiteres ‚Versandhaus‘ in Arnholds Heimatstadt Berlin gründen.

HERMANN HEYMANN HUTFABRIK

Jüdisches Gewerbe (2)

ein Beitrag von Bethan Griffiths

Herrmann Heymann starb einen Tag vor dem 30. Geburtstag seines Sohnes, Theodor Heymann. Der junge Mann wurde nun Alleininhaber der „Hermann Heymann Hutfabrik“ in der Potsdamer Str. 61. Dieses etablierte Herrenartikelgeschäft war bereits im Jahr 1892 gegründet worden und wurde seit 1908 im Berliner Handelsregister unter der Nr. A 31717 verzeichnet.

Verbrennungsöfen für die Vernichtungslager

Bei Sachsenhausen und Bergen-Belsen denken wir an die Mordmaschinen der Nazi-Diktatur. Wir denken an die vielen jüdischen Mitbürger*innen und Widerständigen in unserem Kiez, die verschleppt und ermordet wurden. Aber wir müssen uns auch erinnern an die Täter in unserem Kiez. Zum Beispiel an die Mittäterschaft der KORI GmbH – von 1890 bis 1976 in der Dennewitzstraße 35, wo heute einer der Eingänge zum Gleisdreieck-Park ist. 

REDE VON SARAH RICHARDSON 

Anlässlich der Stolpersteinverlegung für die Familie Ledermann / Citroen

Am 8. September wurden vor dem Haus Genthiner Straße 14 fünf Stolpersteine zum Gedenken an die Familie Ledermann verlegt. Sarah Richardson lebt heute in den USA, wohin ihre Großmutter Barbara Ledermann als einzige Überlebende ihrer Familie 1947 auswanderte. Auf der Gedenkveranstaltung zur Verlegung der Stolpersteine am 8. September in der Villa Lützow hielt Sarah Richardson eine berührende Rede, die wir in Auszügen veröffentlichen.

Den Gentleman-Verleger Erich Reiss dem Vergessen entreissen

Der Name des bedeutenden jüdischen Buchverlegers Erich Caesar Reiss (1887 Berlin – bis 1951 New York) gehört eigentlich in eine Reihe mit den Größen seiner Branche wie Samuel Fischer, Rowohlt und Langen Müller. Doch kennt ihn keiner.

STOLPERSTEINE FÜR OSSIP UND GERTRUD SCHNIRLIN

GUNTER DEMNIG VERLEGT STOLPERSTEINE FÜR OSSIP UND GERTRUD SCHNIRLIN

Künstler Gunter Demnig, Begründer der Stolpersteinkultur, liess es sich nicht nehmen, die messinggoldenen Steine für die Schnirlins selbst zu verlegen, obwohl er immer mehr Aufträge, zunehmend aus dem Ausland erhält.

Ossip Schirlin war einer der größten Violinvirtuosen seiner Zeit im jungen 20. Jahrhundert.

Fünf neue Stolpersteine und Gedenken für die Familie Ledermann-Citroen

Sarah Richardson, die Enkelin Barbara Ledermanns, hatte vor fünf Jahren die Stolpersteinverlegung für ihre Vorfahren angeregt. Foto: APZ

„Diese Stolpersteine fühlen sich für mich eher wie Trittsteine an, ein neuer Halt auf einer persönlichen Reise zu Verständnis, Vergebung, Abschluss und Ganzheit.“

Mit diesen Worten beschloss Sarah S. Richardson ihre bewegende Rede zum Schicksal ihrer Familie, die – bis auf eine Person – Opfer der Shoa wurden. In Anwesenheit einer großen Familiendelegation aus den USA, Frankreich und den Niederlanden waren gestern Nachmittag fünf Stolpersteine in der Genthiner Straße Nr. 14 verlegt worden. Die überlebende 97-jährige Barbara Ledermann Rodbell war online aus den USA zugeschaltet war. Es folgte eine Gedenkstunde im Saal des Kiezzentrums Villa Lützow.

Die Synagoge an der Potsdamer Brücke

Es ist nicht die erste Synagoge in Berlin, wenn von der Synagoge an der Potsdamer Brücke (Schöneberger Ufer 26) die Rede ist, und auch nicht die zweite oder dritte, aber es ist die erste südlich des Landwehrkanals in der ständig wachsenden Schöneberger Vorstadt, die, als die Synagoge errichtet wurde (1875), bereits mehr als 10 Jahre zu Berlin gehörte.