Wie kommt es zu der Verlegung von Stolpersteinen?
Teil 2 einer Präsentation von Hannelore Stippel und Georg Frank von der Initiative Stolpersteine Mitte Berlin
Bei unserer Initiative sind es meist Anfragen von Nachfahren, aber auch von anderen Personen – häufig die in einem Haus wohnen oder arbeiten, aus dem Menschen deportiert wurden – die den Prozess zur Verlegung eines Stolpersteins auslösen. Bei den Stolpersteinen, die unsere Initiative betreut (hat), kommen 95 % der Angehörigen aus vielen Ländern der Erde, aus Südafrika, Argentinien, Israel, England und anderen.
Recherchemöglichkeiten:
Manchmal wissen die Anfragenden etwas über die ermordeten Familienangehörigen wie Geburtsdaten, Namen, Fotos.
Dazu lassen sich dann Informationen in verschiedenen Archiven finden – häufig auch schon digitalisierte Daten. Viele Archive sind inzwischen online.
Manchmal muss man aber auch noch die Archive aufsuchen und in den Dokumenten stöbern.
Ich beginne eine Recherche mit dem
- Bundesgedenkbuch,
- Bundesarchiv,
Die wichtigste Aufgabe des Bundesarchivs besteht in der Bereitstellung von Archivgut des Bundes und seiner Vorläufer, also auch dem Deutschen Reich. Zu einzelnen jüdischen Einwohnerinnen und Einwohnern während der NS-Zeit kann ein Auskunftsersuchen bei der Datenbank „Liste der jüdischen Einwohner im Deutschen Reich 1933 – 1945 in den Grenzen vom 31.12.1937“ sinnvoll sein. In dieser Datenbank werden die Informationen aus verschiedenen Quellen zu einer Person verdichtet. Für die Stolperstein-Recherche relevant sind Bestände zu Personen, die in Behörden, im Justizdienst oder im Kulturbereich tätig waren, Verfolgte und Verurteilte des NS-Regimes oder zu Opfern der „Euthanasie“-Morde von 1939 bis 1941. Auch Akten über als „asozial“ stigmatisierte Menschen und Homosexuelle können hier gefunden werden.
- Adressbücher, um die letzte freigewählte Wohnung definitiv zu erfahren,
- Arolsen Archiv,
Hier lagern Dokumente aus Konzentrationslagern, Gefängnissen, Ghettos, Polizeiakten, Gestapo-Akten, Emigrationslisten und Akten zu Sterbefällen in den ehemaligen deutschen Konzentrationslagern. Insbesondere sind die Bestände relevant für die Suche nach Angehörigen, die überlebt haben.
- Landesarchiv Berlin,
Hier werden für archiv-würdig befundene Akten von Berliner Behörden gesammelt. Konkret sind dies etwa Archivalien zu den Senats- und Bezirksverwaltungen, Amtsgerichten, Staatsanwaltschaften, Gefängnissen, Rechtsanwaltskammern, Gerichten, Finanzämtern, Standesämtern, Schulen aber auch Theatern und vielem mehr. Von besonderer Relevanz ist die gebührenpflichtige historische Einwohnermeldekartei.
- manchmal die Deportationslisten,
- seit einiger Zeit suche ich auch in ancestry, leider nicht kostenfrei,
- Brandenburgisches Hauptarchiv in Potsdam,
Die Zuständigkeit des BLHA erstreckt sich auf das Archivgut aller Stellen des Landes Brandenburg und ihrer Rechts- und Funktionsvorgänger. Zudem lagern dort Akten zu Haftanstalten außerhalb Berlins. Im Bestand zum Kammergericht Berlin erhalten Sie Informationen zu Verlegungen von einer Haftanstalt in eine andere sowie die Urteile wegen Hochverrat.
Für eine Stolperstein-Recherche besonders relevant sind hier die Akten der Vermögenserklärungen der Behörde des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, die Aufschluss über den Einzug von Vermögenswerten von Jüdinnen und Juden sowie Sinti/Sintezze und Roma/Romnija geben.
„Sinti“ sowie „Roma“ sind Gruppenbezeichnungen und zugleich männliche Pluralformen. Die männlichen Singularformen lauten „Sinto“ bzw. „Rom“, die weiblichen Singularformen „Sintiza“ (oder „Sinteza“) bzw. „Romni“. Die weiblichen Pluralformen sind „Sintize“ (oder „Sinteze“) bzw. „Romnja“.Im Gegensatz zu den alteingesessenen deutschen Sinti sind Roma vor allem in jüngerer Zeit nach Deutschland gekommen. Eine kleine Zahl von Roma-Familien wanderte im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in das Deutsche Reich ein, sie werden als „deutsche Roma“ bezeichnet.
- Jüdisches Adressbuch für Groß-Berlin
- Yad Vaschem, Einträge von Angehörigen,
– Datenbank des United States Holocaust Memorial Museum
Die „Database of Holocaust Survivor and Victim Names“ ist die umfangreichste Online-Datenbank zu Verfolgten des Nationalsozialismus. Hier ist es wichtig darauf zu achten, welche Quellen z.B. bei den Adressen angegeben werden. Diese sind oft nur ein erster Anhaltspunkt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um „Judenwohnungen“ handelt.
- Archiv der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum
- Und sonstige Adressbücher, Vermögenserklärungen, Entschädigungsakten und vieles mehr.
So lassen sich Informationen über das Leben der Einzelnen und auch ihrer Familien/Kinder gewinnen. Zudem geht es um die Ermittlung des letzten freigewählten Wohnsitzes, da in der Regel dort die Stolpersteine verlegt werden.
Das ist mitunter eine zeitaufwendige Ermittlung.
Während der Recherche hält man den Kontakt zu den Anfragenden/Angehörigen. Wenn die Recherche abgeschlossen ist, gilt es die Steine zu produzieren und den Termin für eine Verlegung festzulegen/zu ermitteln.
Wann ist ein Stein ausrecherchiert?
Zu den Verlegungen werden die Anfragenden natürlich eingeladen. Mit ihnen wird der jeweilige Ablauf der Zeremonie abgestimmt. Sie laden ihre Gäste und auch die Bewohner des Hauses, vor dem verlegt wird, ein.
Und dann muss der Stein ja auch noch bezahlt werden. Hierfür werben wir um Spenden.
Nach der Verlegung werden Kurzbiografien der ermordeten Personen auf der Internetseite der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin in die zentrale Datenbank eingetragen und veröffentlicht.