Wo ist die Dennewitzstraße 35?
In den nächsten Jahren soll am Eingang Kurfürstenstraße in den Westpark des Gleisdreiecks über die Firma KORI informiert werden, die von der Dennewitzstraße 35 aus Leichenverbrennungsanlagen für den industriellen Massenmord in zahlreichen Konzentrationslagern und Tötungsanstalten geplant und geliefert hat. Doch das Gebäude und das Grundstück der Dennewitzstraße 35 sind verschwunden. Wie also diesen Täterort markieren?
Dies war Thema in der Gedenktafelkommission des Bezirks Tempelhof-Schöneberg am 19.04.2023. Einig waren sich alle Beteiligten, dass nicht nur Information vor Ort wichtig ist, sondern auch ein mahnendes Zeichen benötigt wird. Der Ort soll als „Täterort“ markiert werden. Ein Gestaltungswettbewerb wird stattfinden. Da dies aber noch Jahre dauern wird, soll eine Interimslösung mit einer Informationstafel umgesetzt werden.
Erste Ideen zur Gestaltung wurden geäußert. Doch blieb trotz der wissenschaftlichen Aufarbeitung in den letzten Jahren unklar, wo genau sich die Dennewitzstraße 35 befand.
Recherche zum Ort
Vor Ort ist das Grundstück der Dennewitzstraße 35 nicht mehr erkennbar. Nach der Kahlschlagsanierung wurde das Gelände in den 1980er Jahren städtebaulich neu geordnet. Im Ergebnis wurde der Straßenzug der Dennewitzstraße zwischen Bülowstraße und Kurfürstenstraße aufgehoben. Dort befindet sich seit Ende der 1980er Jahre der Nelly-Sachs-Park.
Seit 1994 wird der Nelly-Sachs-Park an seiner östlichen Seite durch das Gebäude der Dennewitzstraße 28 bis 34 mit 140 Wohnungen begrenzt. Das Gebäude wird auch nach dem Architekten „Oefeleinbau“ genannt. Die historische Parzellenstruktur wurde durch die städtebauliche Neuordnung völlig aufgehoben. Die zwei Hausnummern Dennewitzstraße 35 und 36 existieren seitdem nicht mehr.
Die Überlagerung des historischen Plans aus den 1950er Jahren mit dem aktuellen Google-Luftbild zeigt die Parzelle der Dennewitzstraße 35 am nördlichen Ende des Oefeleinbaus. Ungefähr dort, wo früher die Toreinfahrt in die Dennewitzstraße 35 war, befindet sich heute die Zufahrt zur Tiefgarage unter dem Oefeleinbau. Die nordwestliche Ecke der Parzelle Dennewitzstraße 35 reicht bis unmittelbar an den viel frequentierten Eingang in den Westpark des Gleisdreiecks.
An das Gebäude der heutigen Dennewitzstraße 34 schließt ein spitzwinkliger, verglaster Pavillon an. Mit der westlichen Seite des Pavillons hat der Architekt Oefelein die ansonsten hier nicht mehr sichtbare, historische Baufluchtline der Dennewitzstraße aufgenommen. Wenn wir uns die westlich begrenzende Linie des Pavillon verlängert vorstellen bis zum Eingang in den Westpark, bekommen wir eine Vorstellung, wo sich die Straßenfassade der Dennewitzstraße 35 mit dem Schriftzug KORI befand.
Die Überlagerung des Plans aus den 1950er Jahren mit dem Google-Luftbild kann nicht zu 100% genau sein. Der historische Plan stand nur in schlechter Auflösung zur Verfügung und bei Luftbildern kommt es immer wieder zu Verzerrungen. Als Vorbereitung für einen Gestaltungswettbewerb sollte ein Vermessungsbüro beauftragt werden, um exakte Planunterlagen zu bekommen.
Der Faktor Zeit
Schon 1962 hat sich die Bezirksverordnetenversammlung von Schöneberg einmal mit dem Thema beschäftigt. Dies berichtete Dr. Gerd Kühling, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, in seinem Vortrag zu Beginn der Sitzung. Dann dauerte es bis 2011, bis durch einen Artikel auf diesem Gleisdreieck-Blog die KORI wieder öffentlich erwähnt wurde.
KORI GmbH: “Wie Sie wissen, sind wir eine Spezialfirma . . .”
2019 brachte Bertram von Boxberg (Grüne) einen Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg ein, dass am Eingang Kurfürstenstraße in den Westpark des Gleisdreiecks eine Mahntafel angebracht werden solle. Doch zuvor sollte die Firmengeschichte von KORI wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Diese Aufarbeitung hat inzwischen stattgefunden. Dabei wurden die Erkenntnisse zu KORI bestätigt und vertieft. Beim Verlag Hentrich und Hentrich erschien Ende 2022 das Buch
Die H. Kori GmbH – Eine Berliner Ofenbaufirma und der nationalsozialistische Massenmord.
Der Gestaltungswettbewerb und die Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses wird nochmal ein paar Jahre in Anspruch nehmen. Zu hoffen ist, dass die Interimslösung – eine Informationstafel am Parkeingang Kurfürstenstraße – noch in diesem Jahr realisiert wird.
Zuerst veröffentlicht in gleisdreieckblog